Da war im Kloster zu Lisieux die Schwester Petra - eine umständliche Person. Freilich darf man keine Steine auf sie werfen, sondern muss sie gütig zu verstehen suchen. Sehr jung war sie ins Kloster gekommen. Jetzt war sie alt und kränklich. Nie hatte sie den Karmel verlassen. In treuer Beobachtung der Ordensregel war ihr Leben jahrzehntelang gleichmässig dahingeflossen. Sicher war es ein gottgefälliges, heiliges Leben, aber im ewigen Einerlei ihrer Tage war die gute Schwester etwas eigenartig und sonderbar geworden, krank nicht nur am Leib, sondern auch im Geist. Sie war in ihrem Alter wieder Kind, wie das bei älteren Leuten zuweilen der Fall ist. An diesem alten Kind versah die junge Schwester Theresia Mutterstelle.
Lassen wir die Heilige selbst erzählen, wie das zuging:
"Jeden Abend musste jemand zehn Minuten vor sechs Uhr die Betrachtung verlassen und sie ins Refektorium führen. Es kostete mich viel, mich zu dieser Dienstleistung anzubieten, denn ich kannte die Schwierigkeit oder vielmehr die Unmöglichkeit, die arme Kranke zufriedenzustellen.
Trotzdem trug ich mich demütig an, sie zu führen. Nicht ohne Mühe gelang es mir, angenommen zu werden. Darauf begab ich mich mit dem besten Willen ans Werk. Jeden Abend, wenn ich sah, dass sie ihre Sanduhr bewegte, wusste ich schon, das bedeutete: 'Machen wir uns auf den Weg!'
Waren wir dann glücklich ohne Unfall im Speisesaal angelangt, so gabe es neue Schwierigkeiten. Ich musste meine arme Kranke an ihrem Platz unterbringen. Dann musste ich ihr noch die Ärmel zurückschlagen. Alles 'auf gewisse Art'. Hierauf durfte ich mich entfernen."
Ohne Zweifel war die Schwester Petra eine umständliche Person. Haben nicht auch wir Verwandte oder Bekannte, die ebenso in irgendeiner Weise umständlich und sonderlich sind?
Wie haben wir sie bisher behandelt? Wie werden wir sie in Zukunft behandeln?
Gebet
Heilige Theresia vom Kinde Jesus! So lieb und gut, wie Du gegen Deine Mitmenschen gewesen bist, möchte ich auch gegen alle Menschen werden. Hilf mir, dass ich mich an ihren Ecken nicht stosse und ihre Eigentümlichkeiten ertrage. Lass mich nach deinem Vorbild auch dem letzten und ärmsten Mitmenschen gegenüber lieb sein. Amen.